Dass eine Krippe dem Sinn des griechischen Wortes Epiphaneia - das „erste Aufleuchten der Gottesherrlichkeit“ – voll gerecht werden kann, kündigt sich durch nichts deutlicher an als durch den Auftritt der zur Anbetung des Jesuskindes gekommenen drei Weisen aus dem Morgenland. Doch zeigt sich Gott auch den Menschen reinen Herzens, den Hirten, die durch ihre Andacht großen Eindruck erwecken und mit ihren Schafen durch den eigenartigen Einfall ihrer zotteligen Pelze als Einheit zusammengehalten werden. Die Posen sind der klassischen Ikonographie entlehnt: der Heilige Joseph steht aufrecht, die Jungfrau Maria betet kniend, Esel und Ochs finden mit ihren Köpfen dazwischen Platz, während die Umstehenden in Umsetzung des im jubelnden Freudenchor gipfelnden Leitgedankens sich zum Zentrum hin zu bewegen scheinen.
Fließende Gewänder umhüllen Gestalten, die in ihrer Zierlichkeit auf eine Ahnung des Seins hinstimmen und deren angedeutete Bewegungen als Ausdruck großer Würde eine sinnbildliche Aufgabe erfüllen.
Die durchscheinenden Ölfarben spielen mit den zartesten Nuancen, lösen sich verblassend in Licht auf oder gehen an den Kleiderfalten in schillernde Kolorierungen über, ohne jemals die schmucke Ahornmaserung zu verdecken. Getreu der Tradition beutet die reiche Gewandung der Drei Könige die Vorzüge der orientalischen Schnittführung und Pracht aus; so erinnert Balthasars Dogenmütze als weithin sichtbares Beiwerk an die Blütezeit der Stadt Venedig und verweist auf ihre geschichtliche Verbundenheit mit dem Mittleren Osten. Die Benennung „venezianische Krippe“ ist also berechtigt, schöpft die Komposition doch aus dem geistigen Erbgut beider Kulturwelten.
Die Variante aus Eichenholz lässt demgegenüber keinen Pinselstrich sehen. Denn die Einbeziehung von Licht- und Schattenwirkung ruft eine große Lebendigkeit hervor, die um so mehr auf Farbauftrag verzichten kann, als sich jede einzelne Figur die vom edlen Werkstoff ausgehende Wirkung zu eigen macht. Aber es ist nicht nur dies: es sind die rhythmische Gliederung der Gruppe, der sichtliche Reichtum der Modellierungen und die fabelhafte Herausarbeitung der Einzelheiten, die den Beschauer in ihren Bann ziehen.
Die Heilige Jungfrau mit dem Kinde - im Mittelpunkt der Komposition - prägt sich durch ihre ungewöhnlich moderne Haltung unverlierbar ein. Ihren neugeborenen Sohn im Arm haltend, sitzt sie auf einem Klotz aus Holz und nach dem Heiligen Joseph hinüber, dessen Laterne die Aufmerksamkeit auf den Ort der wundersamen Geburt des Heilands lenkt.